Unsere Daten zum Geschlechterverhältnis bei Anfragen zum Immobilienverkauf zeigen, dass 62 Prozent der Immobilienverkäufe von Männern und 38 Prozent von Frauen initiiert werden. In den Städten ist das Verhältnis etwas ausgeglichener. Decken sich diese Zahlen mit Ihren Erfahrungen?
Ich kann diese Zahlen aus meinen Erfahrungen in etwa bestätigen. Für uns stellt sich beim Immobilienverkauf gerade im urbanen Raum eher ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern dar. In den ländlichen Gebieten sehen wir häufiger klassische Rollenmodelle, die möglicherweise auch etwas damit zu tun haben, dass der Schwerpunkt an Verkäufern dort aktuell die Generation über 60 Jahren ist. Wenn so ein Paar zum Beispiel seine Immobilie verkaufen will, weil es sich Gedanken darüber macht, eine bessere Infrastruktur oder eine bessere Ärzteanbindung zu finden, dann haben wir es ja durchaus mit teilweise konservativen Lebensmodellen zu tun. Da ist es dann sehr häufig so, dass zumindest in der ersten Kontaktaufnahme der Mann auf uns zukommt.
Sehen Sie einen Unterschied darin, wie Frauen den Verkauf eines Hauses im Vergleich zu Männern angehen?
Frauen haben nach unserer Erfahrung eine höhere Bereitschaft Vertrauen aufzubauen, sind häufig offener und auch emotionaler. Natürlich spielen die Zahlen am Schluss eine Rolle, also was für ein Kaufpreis am Ende beim Verkauf rauskommt. Ein Immobilienverkäufer egal welchen Geschlechts hat immer ganz oben die Frage stehen „Welchen Preis bekomme ich für meine Immobilie?“ Das ist aber nach unserer Beobachtung im Kontext der jeweiligen Situation bei einer Frau etwas anders gelagert. Wenn es eine selbst genutzte Immobilie oder gar eine „Trennungsimmobilie“ ist, dann ist das Thema meist auf der Seite der Frau emotionaler besetzt. Dann spielt dort neben dem Kaufpreis auch das Suchen eines kompetenten Dienstleisters, der die richtige Orientierung durch und mit dem Verkaufsprozess bietet, eine sehr große Rolle. Eine Verkäuferin würde deswegen am Ende zwar auch nicht auf Geld verzichten. Aber ich könnte mir vorstellen, wenn eine Frau drei verschiedene Immobilienbewertungen von drei Maklerhäusern auf dem Tisch hat und dann entscheiden muss, wen sie beauftragt, lässt sie das Bauchgefühl vielleicht mehr zu als der Mann. On top sind Frauen auch häufiger mit der vereinbarten Preisrange zufrieden und gehen strukturierter vor.
Wohnen ist immer emotional. Wenn es nicht gerade eine Kapitalanlage ist, hat die Immobilie ja immer etwas mit einem persönlichen Lebensabschnitt zu tun. Es geht häufig um Trennungen, Tod, wirtschaftliche Schwierigkeiten oder um andere Veränderungen.
Haben Männer und Frauen beim Immobilienverkauf einen anderen Fokus?
Männer sind sehr darauf bedacht, welche Leistungen sie bekommen und wie sie die nachvollziehen können. Sie fragen zum Beispiel, warum der Verkaufsauftrag so oder so formuliert ist. Auch treten Männer häufiger dominant auf und betonen ihre Erfahrung im Verkauf, wenn das nicht ihr erster Verkaufsfall ist. Diese Erfahrung kann eine Frau auch haben, aber sie würde das nicht ständig ins Gespräch einfließen lassen. Eine Frau ist aufgeschlossener für Argumente und Herleitungen, die dann zu einem Vermarktungskonzept führen. Sie akzeptiert dich häufiger als Profi.
Treten Ehepaare Ihnen gegenüber eher gemeinsam auf oder kümmert sich eine Person allein um den Immobilienverkauf?
Auch das ist wieder generationenabhängig. Wenn es eine traditionelle Lebenspartnerschaft ist, ist es häufig so, dass die Frau anwesend ist, aber das Ganze eher zurückhaltend begleitet. Sie wirft vielleicht einige Punkte ins Gespräch ein, hält sich sonst aber zurück. Je jünger das Paar ist, desto gleichberechtigter findet die Kommunikation auf Augenhöhe statt. Bei zwei Verkäufern, die etwa 40 oder 45 Jahre alt sind, gibt es aber auch noch andere Komponenten. Beide wollen verkaufen, beide sind berufstätig. Die teilen sich das nicht nach dem Prinzip „Wer ist schlauer“ auf, sondern danach, wer Zeit hat, sich mit dem Verkauf auseinanderzusetzen. Dann wird eher auf der Business-Ebene durchorganisiert: Mit wem kann ich die Termine machen? Wer kann mir den Zugang zur Immobilie verschaffen? Wer organisiert die Unterlagen? Da sind beide involviert.
Wie sehen Sie die Geschlechterunterschiede in der Stadt und auf dem Land?
Je aufgeklärter und je bunter die Gesellschaft ist, desto ausgeglichener ist das Ganze. Urbane Lebensräume sprechen schon dafür, dass Frauen dort gleichberechtigt und offensichtlich weniger in einem traditionellen Rollenmodell sind. Je ländlicher und je mehr wir in den derzeit aktuellen klassischen Zielgruppen der Verkäufer von 60+ unterwegs sind, desto üblicher ist es, dass dort der Mann der Handelnde ist, wenn es um den Verkauf geht.
Lässt sich eine Tendenz ausmachen, ob Männer und Frauen unterschiedlich schnell verkaufen?
Grundsätzlich nein. Wenn wir beim Immobilienverkauf beauftragt sind, definieren wir eine Kaufpreisgrößenordnung, in der wir uns bewegen. Dann finden wir einen Käufer. Und Sie haben ja einen Anlass. Sie ziehen zum Beispiel weg und wollen den Verkauf dann auch zeitnah erledigt haben. Worauf sollte man dann warten? Innerhalb des Transaktionsprozesses kommt es schon mal vor, dass sich insbesondere Männer die Frage stellen, ob jetzt schon der richtige Zeitpunkt ist oder möglicherweise noch jemand kommt, der einen besseren Kaufpreis zahlt, wenn vermeintlich zu schnell ein Käufer gefunden wurde. Dann gibt es die, die zum Beispiel einen Umzug der Tante ins Pflegeheim langfristig vorbereiten. Die Verwandten müssen sich Gedanken machen, was sie mit dem Haus oder der Wohnung machen. Das ist dann ein Verkauf, der nicht sofort stattfindet. Da kann es schon mal sein, dass potenzielle Verkäufer zwei Jahre bevor so ein Verkauf stattfindet auf einen zukommen.
Wie sieht das Ganze in einem Trennungsszenario aus?
Bei einer Trennung ist es häufig so, dass beide aus der Wohnung oder dem Haus raus müssen, mindestens einer von beiden würde aber gerne dort wohnen bleiben. Einer müsste den anderen dann auszahlen, kann sich das aber nicht leisten. Dann forciert man den Verkauf nicht unbedingt. Das Komplizierte in diesem Fall ist aber geschlechterunabhängig. Engagiert er einen Makler, ist sie misstrauisch, engagiert sie einen, ist er misstrauisch. Sehr häufig ist es so, dass beide einen Makler anfragen, und dann versucht man sich darauf zu verständigen, wer der Dienstleister ist, der dann wirklich beauftragt werden soll.
Gibt es andere Szenarien, die ähnlich viel Konfliktpotenzial haben?
Erbengemeinschaften haben sicherlich ähnliches Konfliktpotential. Auch hier fehlt häufig das gegenseitige Vertrauen. Und je mehr Personen eine Rolle spielen und eigene Interessen verfolgen, desto schwieriger ist es für den Vermittler ausgleichend wirken zu können, sodass alle Beteiligten sich gut abgeholt fühlen. Es ist zum Beispiel für den Makler wichtig, bei einem Trennungspaar immer alle auf dem exakt gleichen Informationsstand zu halten und niemals zuerst einen und dann erst den anderen zu informieren. Beide müssen sehr gleichmäßig begleitet werden, sodass jeder der Beteiligten das Gefühl hat, dass er hundertprozentig genauso informiert ist wie der andere auch.
Macht es bei Erbengemeinschaften einen Unterschied, dass zum Beispiel Geschwister vor Ihnen sitzen und keine Eheleute?
Ja, definitiv. Es hilft uns schon sehr, wenn Geschwister eine gute Beziehung miteinander haben, weil sie eben untereinander viel Vertrauen schenken. Das ist bei bunt zusammen-gewürfelten Erbengemeinschaften schon deutlich anders und komplexer. Bei einem Ehepaar im Trennungsfall kommt es auf die Umstände an. Kurze Ehen sind aus unserer Beobachtung einfacher zu lösen, Trennungen nach 20 oder 40 Jahren, wo man sein halbes Leben miteinander verbracht hat, sind komplizierter. Wenn die vorher in einem traditionellen Rollenmodell unterwegs waren, hat die Frau es besonders schwer die geeignete Unterstützung zu engagieren.
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